Im Rahmen des NaNoWriMo 2020 hab ich mich bereits vertieft mit dem Thema Burnout auseinandergesetzt. Mit Milan und das Meer habe ich nun endlich auch einen Roman gefunden, der sich dem Thema auf belletristische Weise annähert. In den nachfolgenden Zeilen sage ich euch, wie es mir beim Lesen erging.
Erfolgreich ausgebrannt
Es beginnt alles damit, dass Milan auf seinen Mentor trifft und dadurch den Job im grossen Finanzinstitut erhält. «Angst und Hoffnung sind die besten Geldeintreiber» lautet deren unschönes Motto und sie haben grossen Erfolg damit. Der Mentor fordert viel und Milan selber ist nie zufrieden, er strebt stets nach mehr. Schnell steigt er so auf dem Karrieretreppchen empor.
Eines Tages, nach vielen Nächten ohne Schlaf, schwindelt es Milan und er kriegt mit der Angst zu tun. Sein Höhenflug nimmt ein jähes Ende, als er sich zum ersten Mal mit einem möglichen Scheitern befasst. Er macht jedoch verbissen weiter wie bisher, ignoriert seine Angst, was diese zur Panik steigern lässt.
Am tiefsten Punkt angelangt, sucht Milan endlich Hilfe bei einem alten Freund, Gérald, einem Therapeuten. Die beiden sprechen lange. Dann schickt Gérald Milan nach Korsika, zu einem Bildhauer. Milan macht sich auf ins Ungewisse.
Figurendynamik und Weisheiten
Die Geschichte dreht sich gänzlich um Milans inneren Prozess. Milan als Figur bleibt dabei aber leider bis zum Ende erstaunlich unvollendet. Es ist zum Beispiel unklar, wo der Drang der Beste sein zu wollen herkommt. Die Kindheit wird in wenigen Szenen zwar beleuchtet, doch spiegelt sich hier meiner Meinung nach keinen wirklichen Konflikt wieder, der Auslöser für ein Ausbrennen sein könnte. Und dies lässt uns als Leser etwas ratlos zurück. Wir fragen uns: Woher kommt dieser ganze Erfolgsdrang?
Auch die restlichen Figuren bleiben schemenhaft, in ihrem Charakter oft kaum greifbar oder auswechselbar. Obwohl diese Figuren durchaus eine wichtige Funktion übernehmen, denn sie sind die Überbringer zahlreicher Weisheiten, die für Milan auf dem Weg zur inneren Ruhe wegweisend wirken. – Hiervon hätten weniger meiner Meinung nach aber auch völlig gereicht. Die Fülle an Weisheiten nimmt der Erzählung Dynamik.
Malerischer Detailreichtum
Was mir an Milan und das Meer aber sehr gut gefallen hat, sind die stimmungsvollen Szenerien, mit denen Vasques arbeitet. Er beschreibt insbesondere in den Szenen auf Korsika sinnlich und detailliert und man vermag in den Beschreibungen das künstlerische Auge des gelernten Malers spüren. Mit weniger Rückblenden hätte die Spannung der einzelnen Szenen vermutlich noch an Dynamik gewonnen.
Wer sich für Burnout interessiert, der findet in Milan und das Meer eine schöne Erzählung über das innere zur-Ruhe-finden. Die Auseinandersetzung mit Milans Mentor und dem womöglich in der Kindheit verborgene «Warum» bleibt aber leider aus.

Milan und das Meer
von Felipe Vasques
CAMEO Verlag | 2020 | 248 Seiten
ISBN 978-3-906287-68-3 | Taschenbuch
Wenn dich das Thema Burnout interessiert, dann siehe auch: Burnout kommt nicht nur von Stress, Priess (2019).
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