Andreas Russenberger: Bahnhofstrasse

Roman | Philipp Humboldt, Professor an der Universität Zürich, erhält den Auftrag, ein Firmenportrait über die Privatbank von Werdenberg zu verfassen. Der Direktor will seine Bank verkaufen, der Erlös soll der Stiftung seiner Tochter zugutekommen. Als bei den Recherchearbeiten Unstimmigkeiten auftreten, beginnt Philipp auf eigene Faust zu ermitteln und stösst auf alte Geheimnisse.
TAGS: Romane

Nach meiner Pause steige ich mit einer unterhaltsamen Geschichte von der Zürcher Bahnhofstrasse ein: Andreas Russenberger hat einen Roman über die Schweizer Bankenwelt geschrieben und würzt diesen mit einer Prise «Krimi». Worum’s geht?

Ein Firmenportrait der Privatbank von Werdenberg soll verfasst werden

Philipp Humboldt, beliebter Professor an der Universität Zürich und ehemaliger CEO der Zürcher Investment Bank, erhält entgegen eines unvorstellbar hohen Entgelts den Auftrag, ein Firmenportrait über die Privatbank von Alexander von Werdenberg zu verfassen. Letzterer will nämlich seine vermögende Bank verkaufen. Der Kauferlös soll der Stiftung seiner Tochter zugutekommen. Da der Verkauf noch vor Jahresende über die Bühne gehen soll, eilt das Firmenportrait, welches den Erlös steigern soll. Ein Glück, dass Philipp unter Zeitdruck am besten arbeitet.

Während Philipp den zurückgezogenen Bankdirektor interviewt und sich mit Assistent und Journalistin an der Seite ans Portrait macht, tauchen auf einmal Informationen auf, die nicht so richtig zusammenpassen wollen. Der Verdacht wächst, dass in der Privatbank nicht alles mit rechten Dingen zu und her geht. Alexander von Werdenberg scheint plötzlich zwei Gesichter zu haben, seine Flucht aus Deutschland im Jahr 1944 eine wichtige Rolle zu spielen – doch welche und was ist sein eigentliches Interesse hinter dem Firmenportrait?

Spannende Inszenierung mit leider etwas zu vielen Szenen

Russenberger ist eine spannende Aufstellung gelungen. Thematisch – über die Schweizer Bankenwelt habe ich bisher noch nicht so viele Romane gesehen oder gelesen – aber auch der Szenenaufbau. Sein Roman liest sich flüssig, Zeitsprünge oder Perspektivenwechsel sind durchwegs klar. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob wirklich jede Szene des Buches darin auch stehen müsste. Manchmal verliert die Handlung dadurch an Tempo, insbesondere auf den ersten 100 Seiten steckt meiner Erachtens noch Potenzial.

Der geheimnisvolle Alexander von Werdenberg

Alexander von Werdenberg ist eine sehr eindrückliche Figur. Obwohl man anfangs nicht all zu viel über ihn weiss, fasziniert er durch seine geheimnisvolle Art. Er ist sowohl ungreifbar wie auch ausführlich beschrieben. Erst im Laufe des Buches lernt man ihn aber so wirklich kennen, diesen Prozess fand ich irre spannend. Der Protagonist Philipp verliert im Vergleich mit Alexander, weil er zu wenig Ecken und Kanten aufweist: Ich weiss zwar einiges über ihn, doch fehlt mir seine innere Tiefe, Beweggründe, Herausforderungen oder Ängste. Philipp löst seine Aufgabe in meinen Augen etwas zu glatt.

Alles in allem ein unterhaltsamer Roman, der insbesondere durch den Lokalkolorit und die Figur von Alexander lesenswert wird.

Bahnhofstrasse

von Andreas Russenberger

Gmeiner Verlag | 2021 | 284 Seiten

ISBN 978-3-8392-2746-6 | Taschenbuch

Zum Buch

Disclaimer: Rezensionsexemplar vom Autor

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

9 − 6 =

Buchcover neben weisser Orchidee

Iris Wolff: So tun, als ob es regnet

Roman in vier Erzählungen | In vier Erzählungen beschreibt Iris Wolff die Figuren Jacob, Henriette, Vicco und Hedda und überspannt dabei mühelos Zeit und Raum. Mit zarter Stimme lässt sie Raum zum Träumen.

Cover Wutkraft vor Traubenblättern

Friederike von Aderkas: Wutkraft

Ratgeber | Welcher Wuttyp bist du? Explodierst du förmlich oder frisst du alles in dich herein? Friederike von Aderkas zeigt, welch immenses Potenzial in der Wut liegt – für die eigene Gesundheit und in den Beziehungen mit anderen.

Eine Hand hält das Buchcover «Hier und jetzt ist alles gut» von Pascal Stäuber vor einer Betonwand, die reich mit wildem Traubenblättern bewachsen ist. Es ist Herbst und die Blätter weisen Farben von einem hellen Grün bis zu einem warmen Rot auf.

Pascal Stäuber: Hier und jetzt ist alles gut

Roman | Wollen wir Lesende auch schwere Burnout-Emotionen nachempfinden? Meine Antwort: Ja, irgendwie schon – wenn sie ehrlich, authentisch und aus hoffnungsvoller Perspektive geschrieben sind.