Karin Wenger: Verbotene Lieder

Reise- & Kulturreportage / Biografie | Karin Wenger erzählt von der afghanischen Sängerin Mina und wie diese ein vom Krieg geprägtes Leben lebt und dennoch an ihren Träume festhält: «Noch bin ich jung, noch darf ich träumen, noch kann ich singen.»
Cover vom Buch verbotene Liebe vor einem Blumenbouquet

Sicherheit ist anders

Wenn Karin Wenger verreist, dann tut sie das nicht einfach so. Sie reist gezielt an Orte und zu Menschen, denen sie Fragen stellt. Sie sieht genau hin und fordert heraus. Sie wartet. Und wartet. Sie reist in Kriegsgebietete und wagt sich Dinge, die normale Menschen so nicht unbedingt tun würden. Ganz Journalistin eben: Karin Wenger ist Südasienkorrespondentin des SRF. Und ihren Reisen verdanken wir diese einzigartige Reise- und Kulturreportage Verbotene Lieder. Eine afghanische Sängerin verliert ihre Heimat.

Die afghanische Sängerin, über die Karin Wenger berichtet, heisst Mina. Sie ist eine mutige Frau. Als Schauspielerin, Sängerin und TV-Moderatorin verdient sie in einem Land, in dem von Frauen nicht einmal mehr Fotos geschossen werden dürfen, ihre Brötchen damit, im Rampenlicht zu stehen. So setzt sie sich einer männlich und islamisch geprägten Öffentlichkeit aus. Entgegen aller Warnungen reist sie nach London, um dort mit anderne Musiker:innen gemeinsam zu singen. Doch danach ist nichts mehr wie zuvor. Mina wird ihrer Tätigkeiten wegen bedroht und verfolgt. Erst jetzt entschliesst sie sich zu fliehen. Das vom Taliban und von den US-amerikanischen Soldaten geprägte Land ihres Herzen lässt sie nach mehreren Anläufen hinter sich. Sicherheit scheint aber nachwievor weit entfernt.

Afghanistan und seine Zivilisten

Verbotene Lieder ist eine Mischung aus Reportage und Biografie. Als Leserin erfahre ich via Mina und ihre Geschichte sehr viel über Afghanistan und das Leben im Krieg. Mina macht die ganze Erzählung nahbar. Ebenso die persönlichen Eindrücke der Autorin. Es fällt einem nicht schwer, mitzuleben, mitzufiebern.

Dazwischen finden sich sauber recherchierte, ergänzende oder erklärende Hintergrundinformationen. Das Buch liest sich dabei sehr, sehr flüssig – fast so, als wäre es ein Roman. Karin Wenger und Minas Familie beschenken uns ausserdem mit einer Auswahl an Fotos, die betroffen machen.

Immer eine Perspektivenfrage

Während der Haupttext die 2000er und 2010er Jahre beleuchtet, nimmt Andreas Babst in einem Nachwort die Situation von 2021 auf und blickt in die Zukunft des «neuen Afghanistans». Andreas Babst ist Südasienkorrespondent der NZZ und war im August 2021 in Kabul, als die Taliban die Macht übernahmen. Spannend, wie er die Geschichte facettenreich auslegt und nicht etwa in schwarz und weiss. Er reist nach Kandahar, um mit den Menschen zu sprechen, die in der Wiege des Taliban leben. Seine diplomatische Einstellung wird von der Gestaltung des Buches übrigens mit einem Augenzwinkern übernommen, denn die Seiten, auf denen sein Text gedruckt steht, sind grau.

Verbotene Lieder mit seinen gut hundert Seiten hatte ich im Nu gelesen. Das ist für mich bei Sachbüchern eher die Ausnahme. Wie oben bereits angetönt, kommt das Buch einer Romanerzählung sehr nahe – mit dem Unterschied, dass die Geschichte wahr und echt ist. Und dadurch umso eindrücklicher. Leseempfehlung, insbesondere für solche, die sich einmal fundiert und auch aus menschlicher Sicht mit der Afghanistan-Thematik auseinandersetzen möchten. Danke, Karin Wenger!

Coverbild Buch Verbotene Lieder

Verbotene Lieder – Eine afghanische Sängerin verliert ihre Heimat

von Karin Wenger

Stämpfli Verlag | 2022 | 168 Seiten

ISBN 978-3-7272-6977-6 | Klappenbroschur

Zum Buch

Disclaimer: Rezensionsexemplar vom Verlag

2 Kommentare

  1. Zeilentänzerin

    Danke für die tolle Buch-Empfehlung. Auf diesen Titel wäre ich sonst wohl nicht aufmerksam geworden!

    Liebe Grüße,
    Zeilentänzerin

    Antworten
    • Noëmi

      Hi Zeilentänzerin, den Titel kann ich wirklich nur wärmstens empfehlen. Ich wünsche dir spannende Lesestunden!

      Antworten

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