Fang den Hasen handelt von zwei Freundinnen, die mit einem Opel Astra einen Roadtrip von Mostar nach Wien machen. Aber nicht nur das: Auch durch die jugoslawische und ihre Geschichte.
Worum geht’s?
Vor 12 Jahren verliess Sara ihr Heimatland Bosnien für ein besseres Leben. Sie wohnt heute in Dublin und hat alle Verbindungen zu ihrem früheren Leben gekappt. Sie lebt mit einem verständnisvollen Lebenspartner, Zimmerpflanzen und Verpflichtungen. Doch auch heute fühlt sie sich noch peinlich berührt, wenn irgendwo «ihre» Sprache gesprochen wird.
Mitten im St. Stephen’s Green Park in Dublin klingelt eines Tages ihr Telefon.
«Hallo, du», klingt es aus dem Hörer.
Zwei Worte, eine Stimme. Lejla. Und alles, was sie in den letzten 12 Jahren sorgsam aufgebaut hatte, gerät auf einmal ins Wanken.
Das Spiel mit den Gegensätzen
Der Roman handelt vom Losfahren und Ankommen. Vom Loslassen und Wiederfinden. Von einer Freundschaft und einer unmöglicher Liebe. Von Abhängigkeiten und freiem Willen. Lana Bastašić spiegelt Saras Geschichte gekonnt in der Geschichte Jugoslawiens wider und verwebt Wahrheiten und Realitäten miteinander.
Charaktere mit viel Konfliktpotenzial
Die beiden Freundinnen Sara und Lejla könnten unterschiedlicher wohl kaum sein:
Sara, die Bedachte. Sara, die Schreibende. Sara, die Feinfühlige.
Und dann: Lejla, die Starke. Lejla, die Unbändige. Lejla, die Schamlose (und zwar richtig: Sie zupft mal eben im Auto ein gebrauchtes Tampo aus sich heraus und wirft es kurzerhand aus dem offenen Fenster).
Klar, dass die beiden Charaktere sich reiben und Konflikte verursachen. Als Lesende empfinden wir dies manchmal so stark, dass es kaum zu ertragen ist. Und dies spricht meiner Meinung nach sehr für das Buch und die Autorin.
Während Lejla klar die dominante Rolle unter den zwei Freundinnen einnimmt, ist Saras Passivität manchmal fast nicht auszuhalten. Ich habe mich oft gefragt: Warum lässt sie sich dieses oder jenes gefallen? Warum wehrt sie sich nicht? Warum ist sie so? Mit der Zeit verstand ich sie zwar, was aber nicht bedeutet, dass ich ihre Art als gut erachtete. Mir fällt es persönlich sehr schwer, Passivität oder Opferhaltungen zu akzeptieren.
Ein Gefühl der Schwere und Dunkelheit begleitet Fang den Hasen. An mancher Stelle wusste ich nicht, ob ich Lejlas egozentrische Art bewundern oder sie dafür hassen sollte. Oder ob ich Sara für ihre passive Art bemitleiden oder sie verurteilen sollte.
Dieser Prozess in mir drinnen war enorm spannend. Aus zwei Gründen: 1. Weil es meine eigenen Werte triggerte. Und 2. weil ich glaube, Sara muss genauso empfunden und mit sich gehadert haben.
Ich fühlte mit Sara mit. Voll und ganz. Weil Lana es mir mit ihrem Schreibstil erlaubte. Das kann das Buch richtig gut: Mitgefühl wecken. Auch wenn ich mich dabei mehr als einmal peinlich berührt gefühlt oder sogar fremd geschämt habe. Lana Bastašić nimmt kein Blatt vor den Mund und bricht mit allerlei Tabus.
Geniale Bildsprache
Und obwohl die heutige Rezension schon eher lange ist, kann ich etwas nicht unerwähnt lassen: Lanas originelle Bildsprache. Ein Beispiel?
Danach stehe ich auf und gehe nach Hause, wie eine weggeworfene Dose kullere ich die Hauptstrasse hinunter.»
– Seite 211
Grossartig, nicht? Ich liebe ihre Metaphern, von denen es im Buch zuhauf gibt.
🏆 Übrigens, Fang den Hasen wurde 2020 mit dem Literaturpreis der Europäischen Union ausgezeichnet.
Fang den Hasen
von Lana Bastašić
S. FISCHER Verlag | 2021 | 336 Seiten
ISBN 978-3-10-397032-6 | Gebundener Einband mit Umschlag
Hey Noëmi, zunächst einmal bedanke ich mich für die herzigen Wünsche von dir bezüglich meiner Blog-Auszeit! Ich hoffe, ich kann heute Abend eine neue Rezension online bringen.
Zum Buch: ich habe es auch im Regal stehen und kürzlich von meiner besten Freundin geschenkt bekommen. Deshalb habe ich deine Rezension noch nicht gelesen, bin aber im Nachhinein gespannt und freue mich, das Buch hier bei dir entdeckt zu haben.
Einen schönen Sonntag dir,
Zeilentänzerin
Liebe Zeilentänzerin, ach wie schön! Da bin ich gespannt, sehe sie mir gleich an. Ich wünsche dir viel Freude mit «Fang den Hasen»!
Hallo Noëmi,
auf das Buch hast du mich jetzt sehr neugierig gemacht. Besonders das Zitat gefällt mir!
Liebe Grüße, Steffi von
https://steffi-liest.blogspot.com/
Liebe Steffi, wie toll 🙂 Ja, Lanas Sprache ist einzigartig.