Wir alle kennen den Film «Titanic» mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet. Aber wie wärs mit einer authentischen Auswanderergeschichte aus Uri?
Eine reale Auswanderergeschichte
In «Josefine und das Meer» schildert Reto Stampfli, wie das Dienstmädchen Josefine den technischen Neuerungen des frühen 20. Jahrhunderts kritisch gegenübersteht. Die Strassenbahn mag sie zwar, aber die Schifffahrt auf dem Vierwaldstättersee bekommt ihr nicht und sie wird seekrank.
Als ihr Mann Josef immer öfter und deutlicher von Amerika zu schwärmen beginnt, wird es Josefine mulmig zumute. Sie will nicht auswandern. Ihr Zuhause ist in Uri – geborgen zwischen dem Rauschen des Bergbachs und den Gipfeln, die weit in den Himmel ragen.
Doch nach langer Überzeugungsarbeit willigt sie ein: In Amerika soll sie ein neues Leben beginnen.
Unterwegs mit der Titanic
Als sie in England das riesige Schiff mit der Aufschrift «Titanic» betritt, scheint der Ausgang der Geschichte klar. Vor unserem inneren Auge flimmern all die Bilder aus dem vielgesehenen Film vorbei: das Streichquartett, das bis zum Ende den Instrumenten Töne entlockt. Die elegante 1. Klasse. Und die armen Seelen in der Arbeiterklasse, die in den unteren Decks eingeschlossen sind.
Doch die Spannung bleibt: Werden Josefine und Josef es schaffen, das Unglück überleben und ihre Träume in Amerika verwirklichen können?
Die zerstörerische Kraft des Wassers
Reto Stampfli bringt das Element Wasser stark zum Ausdruck und in die Geschichte mit ein. So beginnt der Roman mit einer Ode an die Quelle – ein stimmiger Kunstgriff, wie ich finde.
In Rinnsalen sprudelt das Wasser aus dem Felsen hervor und stürzt dann tosend in die Schlucht:
«Beengt durch die unüberwindbaren Schrofen beginnt das bedrängte Elemente zu brodeln, zu stieben, zu toben – und kommt dennoch nicht frei.»
– Seite 10
Unten angekommen, wird der Bergbach allmählich zum mitreissenden Strom.
Gedanken über den Ozean rahmen am Ende des Roman die Erzählung und erinnern daran, dass wir alle Teil eines grösseren Ganzen sind:
«Von der Quelle bis zum uferlosen Ozean hat der Zufall seine mächtige Hand im Spiel.»
– Seite 128
👉 Eine unheilvolle Stimmung liegt über den Zeilen und doch habe ich die Geschichte in einem Wimpernschlag gelesen. Mit rund 120 Seiten hat der Roman eine überschaubare Länge. Einen ganz besonderen Reiz machen übrigens die vereinzelt gestreuten Mundart-Formulierungen aus.
Josefine und das Meer
von Reto Stampfli
Knapp Verlag | 2023 | 139 Seiten
ISBN 978-3-907334-06-5 | Gebundener Einband
Disclaimer: Rezensionsexemplar vom Verlag
Hey =) Ich finde deine Rezension sehr schön beschrieben. Als Titanic-Liebhaberin sicher auch für mich nicht uninteressant.
Zeilentänzerin
Hey, vielen Dank, liebe Zeilentänzerin!