Inzwischen kaufe ich viele Bücher im Internet, das gebe ich zu. Ich bin weniger versucht, noch 10 weitere Titel zur Kasse zu tragen. Ihr kennt das Problem sicher. 🌝 Aber «Das Café ohne Namen» von Robert Seethaler habe ich in einer physischen Buchhandlung in Worb gekauft. Und es war Liebe auf den ersten Blick.
Simon Roberts Traum vom eigenen Café
Jedes Mal, wenn Simon Robert am verstaubten alten Café vorbei zum Marktplatz geht, wächst sein grösster Traum. Der Traum vom eigenen Café – statt der täglichen Arbeit als Tagelöhner. Gelegenheitsarbeiten kann er zwar gut, aber so richtig erfüllen tun sie ihn nicht.
Als sich eines Tages die Gelegenheit bietet, greift er beherzt zu. Einen Namen braucht sein neues Café nicht. Es ist einfach das Café, in dem sich alle treffen. Im Sommer, um ein kühlendes Getränk zu schlürfen. Im Winter, um die klammen Finger an einem heissen Punsch zu wärmen. Um über das Leben zu plaudern. Oder schlicht: um nicht allein zu sein.
Unaufgeregt
So habe ich das Buch erlebt. Obwohl viele grosse Lebens- und Schicksalsthemen angesprochen werden, ist es die innere Ruhe, die den besonderen Wert des Romans ausmacht. Es liegt eine gewisse Weisheit darin, das Leben nicht zu ernst zu nehmen. Auch wenn es manchmal sehr turbulent erscheint. Turbulenzen gehören zum Leben. Nehmen wir sie an. Sie sind okay.
Die unterschiedlichsten Seelen kommen ins Café. Die einen haben gerade ihren Mann verloren. Andere wollen im Rampenlicht stehen. Wieder andere wollen jemanden kennenlernen. Manchmal haben die Seelen nicht einmal einen Namen. Es sind die leisen Schicksale, die uns, die wir lesen, beeindrucken und berühren. Wir brauchen keine Namen für die Figuren. Denn wir spüren sie.
Das Leben und die Träume
«Mit dem Café hatte er sich seinen Traum verwirklicht, doch nun wurde ihm die schlichte Tatsache bewusst, dass jeder Traum verschwindet, sobald er sich erfüllt.»
– Seite 157
Ein Gedanke, der irgendwie beängstigend ist und doch eine tiefe Wahrheit in sich trägt, nicht wahr? Oder hast du dir schon mal Träume erfüllt, die du bis heute noch richtig bewusst lebst? Oft ist es doch vielmehr so, dass wir uns (hoffentlich) einen Traum erfüllen und uns einen Moment lang sehr freuen. Doch dann lässt die Freude langsam nach… Bis sie sich schliesslich auflöst und neue Ziele oder Träume an ihre Stelle treten.
Aber auch das macht uns menschlich: Wir brauchen ein Ziel im Leben. Und Träume.
👉 Ein leises, unaufgeregtes Buch, das gerade darin seinen grössten Reiz entfaltet. Ein Roman über das Leben, im Setting eines Cafés, das keinen Namen trägt.
Das Café ohne Namen
von Robert Seethaler
Claassen Verlag | 2023 | 288 Seiten
ISBN 978-3-546100-32-8 | Hardcover mit Umschlag
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