Das Buch «Ellbogenland» beschreibt die ersten Schritte eines Literaturabsolventen im Berufsleben. Wir begleiten ihn durch die Höhen und Tiefen seines Berufseinstiegs. Am Anfang scheint er genau zu wissen, was er will. Das ändert sich aber im Laufe des Buches und am Ende weiss er vor allem auch, was er nicht will.
In Tagebuchform verfasst, folgen wir den Gedanken des Protagonisten, gegliedert nach der Anzahl der Tage nach seinem Studienabschluss. Die Kapitel sind relativ kurz (2-3 Seiten pro Kapitel) und angenehm leicht zu lesen.
Für welchen Job studiert?
Das Buch deckt mehrere Probleme ab, denen Studienabgänger:innen gegenüberstehen. Insbesondere geht es auf die Schwierigkeiten philosophischer und historischer Studiengänge ein, die oft keinen klaren Berufsweg vorgeben. Wer Medizin studiert, wird Arzt oder Ärztin. Wer Jura studiert, wird Jurist:in oder Anwalt:in. Aber was wird aus denen, die zum Beispiel Literaturgeschichte studieren? Was wird ihr Beruf?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten, denn es gibt unzählige Möglichkeiten. Die meisten aber führen über knapp bezahlte Praktika und schier endlose Jobsuchen.
Am besten jung, aber mit 10 Jahren Erfahrungen
Gerade in kreativen Berufen läuft viel über Netzwerke. So sollten Bewerber:innen am besten noch jung und formbar sein, dafür aber schon ein Netzwerk aufgebaut und am besten auch schon einige Jahre Erfahrung haben. Das Problem?
Wo soll man diese Erfahrung sammeln, wenn man sich – wie der Protagonist – weigert, im Rahmen von Praktika oder Volontariaten unentgeltlich für verschiedene Unternehmen zu arbeiten? Diese Weigerung ist in meinen Augen richtig, denn auch Studienabsolvent:innen müssen Rechnungen bezahlen.
Es braucht mutige Arbeitgeber:innen auf dieser Welt, die den im Berufsleben neu Eintretenden eine Chance geben und sie anständig bezahlen. Denn sie leisten schliesslich auch etwas für das Unternehmen – auch wenn (und manchmal gerade weil) sie noch nicht so viel Erfahrung haben.
Leistungsdruck in Werbeagenturen
Eine Zeit lang arbeitet der Protagonist dann für die Agentur B&G – Dancing for Brands unter einer sich drehenden Discokugel und macht seine ersten Erfahrungen mit Leistungsdruck und Kontrolle. Mit oberflächlichen Arbeitsbeziehungen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen.
In diesen Kapiteln fühlte ich mich in der Zeit weit zurückgeworfen, wo der Schein noch mehr wog als das Sein. Leider ist dies auch heute vielerorts in der Arbeitswelt noch so: Letztlich geht es oft nur darum, sich vor anderen durchzusetzen. Wer die kantigeren Ellbogen hat, gewinnt.
Sich selbst nicht so ernst nehmen
Ich, die ebenfalls Abgängerin an der philosophisch-historischen Fakultät der Universität Bern bin, habe mich an manchen Stellen sehr gut in der Geschichte wiedergefunden. Manchmal habe ich laut gelacht, manchmal auch etwas mit den Zähnen geknirscht. Und dann hat mich das Buch daran erinnert: Manchmal darf man sich selbst und das Leben einfach nicht allzu ernst nehmen.
👉 «Ellbogenland» ist humorvoll, direkt und philosophisch. Manchmal leicht politisch und ansonsten einfach nur menschlich. Das 170-seitige Taschenbuch liegt gut in den Händen und passt mit den kurzen Kapiteln wunderbar für unterwegs. Hab ich gerne gelesen.

Ellbogenland
neu durchgelesene und erweiterte Fassung des 2012 bei Edition Die Nische erschienen Romans
von Stephan Weiner
Container Press | 2023 | 170 Seiten
ISBN 978-3-948172-10-7 | Taschenbuch
Disclaimer: Rezensionsexemplar von Autor
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