Lebensentwürfe bauen und verwerfen
Schon als Jugendliche wird Ruth Shaw damit konfrontiert, dass die Karten fallen, wo und wie sie eben fallen. Als sie noch als Teenager von Kameraden im Schulbus vergewaltigt wird, ist das ein erster Vorgeschmack darauf, welcher Schmerz sie im Leben noch erwarten wird.
Doch zuerst scheint alles wunderbar: Ruth verliebt sich und will heiraten – wenn doch nur die einschneidenden Glaubensdifferenzen nicht wären. Ruth verlässt ihren Verlobten und flüchtet vor ihrem Schmerz in einen anderen Teil der Welt. Und das soll zu ihrer Überlebensstrategie werden.
Eine starke Frau, die ständig aneckt
Ruth hat ihren eigenen Kopf. So geht sie denn zum Beispiel auch als Frau zur Marine – und haut über Nacht wieder ab, als es ihr nicht mehr gefällt. Natürlich hat die Übung nicht den gewünschten Erfolg, dennoch zeigt es gut, wie Ruth tickt.
Ihre Grossmutter drückt es vielleicht eher so aus:
«Ruthie, ich weiss, du versuchst, brav zu sein, aber du bist es einfach nicht.»
– Seite 17
Autobiografie
In einem ziemlich nüchternen Ton erzählt Ruth im Buch, was sie alles erlebt hat. Insbesondere von den Jahren vor 40. Sie erzählt, wie es war, als sie ihr Kind weggeben musst. Wie es war, als das zweite Kind kurz nach der Geburt starb. Wie sie sich gefühlt hat, als sie über den Atlantik gesegelt ist.
Nicht nur ihre Schilderungen beeindrucken. Auch kann man aus ihren Worten herauslesen, dass sie mit all den schmerzlichen Erlebnissen inzwischen abgeschlossen hat.
Zum Zeitpunkt, als sie ihr Buch schreibt, führt sie einen Buchladen am Ende der Welt und so streut sie denn auch vielfältige und unterhaltsame Anekdoten aus dem Alltag als pensionierte Buchhändlerin ins Buch mit ein.
👉 Ich hab das Buch geschenkt erhalten und war beim Lesen vom Inhalt sehr überrascht. Erwartet hatte ich eine idyllische Reisegeschichte – erhalten habe ich eine Erzählung knallharter Realität.
Gewissermassen ist das Buch auch ein Plädoyer für den Quereinstieg und Neuanfang. Ich hab irgendwann nicht mehr mitgezählt, wieviele Jobs die Autorin begonnen und wieder aufgegeben hat. Genauso ihr (heutiger) Mann. Die beiden beginnen immer wieder neu. Gehen der Nase nach. Fallen darauf. Stehen wieder auf. Wachsen. Und dann geht alles wieder von vorne los. Wie das Leben halt so ist.
Ein schönes Buch – aber nicht ganz leichte Kost.
Der Buchladen am Ende der Welt – Eine wahre Geschichte über ein abenteuerliches Leben und die Liebe zum Lesen
von Ruth Shaw
Original: The Bookseller at the End of the World, 2022
übersetzt von: Anja Samstag
DuMont Reiseverlag | 2023 | 320 Seiten
ISBN 978-3-616-03235-1 | Klappenbroschur
Ich habe das Buch schon so oft in den Händen gehabt, hach, vielleicht muss ich es doch endlich auch mitnehmen.
Liebe Grüße,
Zeilentänzerin
… oder du lässt es dir einfach von jemandem schenken. 😉